Genug Potenzial für Dorfladen

Wiesenfeld: Zwei Einkaufsfahrten pro Woche ergeben derzeit fast 1000 Kilometer im Jahr

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Dorfläden im Fokus: Immer mehr Gemeinden kümmern sich um die Nah-Versorgung vor Ort, so auch Wiesenfeld. (Foto: Johannes Ungemach)
Dorfläden im Fokus: Immer mehr Gemeinden kümmern sich um die Nah-Versorgung vor Ort, so auch Wiesenfeld. (Foto: Johannes Ungemach)

Die Chancen stehen gut, dass in Wiesenfeld ein Dorfladen eingerichtet werden könnte. Der Ort habe das Potenzial dafür. Das betonte Professor Dr. Volker Hahn von der Nahversorgungs-Services GmbH bei seinem Vortrag vor den Karlstadter Stadträten. Er betreut deutschlandweit die Entstehung von mehreren Dutzend solcher Dorfläden, analysiert die Einwohnerzahl, die Marktsituation und gibt Prognosen ab zur Wirtschaftlichkeit.

Seit 2012 die Bäckerei Peter mit ihrem angeschlossenen Lebensmittelsortiment aus Altersgründen aufgehört hat, gibt es keinen Lebensmittelladen mehr in Wiesenfeld. Nach Karlstadt sind es zehn Kilometer, nach Lohr 9,5, nach Gemünden 12,5 und nach Marktheidenfeld 22. Hahn rechnete vor: Jede Woche zweimal nach Karlstadt zum Einkaufen zu fahren, das ergibt 900 Kilometer pro Jahr und Fahrtkosten in Höhe von 300 Euro – von der Zeit für die Fahrten einmal abgesehen.

Dass sich in Wiesenfeld ein Lebensmittelhändler ansiedeln würde, sei unwahrscheinlich. Hahn sagte, große Partner würden mindestens eine halbe Million Euro Umsatz erwarten. Sinnvoll wäre daher ein Genossenschaftsmodell.

Mit Beteiligung der Bevölkerung lasse sich ein Dorfladen am ehesten verwirklichen. Denn wer sich mit einer Einlage beteiligt hat, ist auch daran interessiert, dass der Laden läuft.

Dafür allerdings muss die Bevölkerung genügend Interesse zeigen. Es könne ja auch sein, dass die meisten jemanden in der Familie haben, der ohnehin in einer der Städte arbeitet und von dort Einkäufe mitbringt.

Hahn verwies aber auch darauf, dass ein solcher Dorfladen noch mehr Funktionen hat als nur die Nahversorgung. Er dient auch als Treffpunkt, an dem man kommuniziert. Denkbar wäre es, ihn eines Tages auszuweiten für eine Station der Tagespflege, als Außenstelle der Volkshochschule, Tourist-Info, Jugendtreff, Ferientreff, Internetcafé, als Verkaufsstelle für Direktvermarkter oder Ähnliches.

In einem Ort ohne einen Laden, den man zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann, fehle ein Stück Lebensqualität, gehe etwas verloren, was die Bürger verbindet.

In kleineren Orten wie Wiesenfeld sei eine Immobilie oft günstig zu bekommen. Hahn rechnet mit maximal 70 000 Euro, die man für den Start benötigte. Darin enthalten sind rund 25 000 Euro für ein erstes Warensortiment und etwas mehr als 40 000 Euro für die Einrichtung mit Regalen, Kasse, Kühlzelle und einem Café als Treff.

Dann kommen die laufenden Kosten. Hahn kalkuliert unter anderem mit 1750 Euro für Löhne und Gehälter, knapp 2000 Euro für Aushilfen und 250 Euro für die Miete. Unterm Strich macht er einen monatlichen Bedarf von 6200 Euro aus. Bei einer Gewinnspanne von 20 Prozent müssten dann Waren von mehr als 31 000 Euro im Monat umgesetzt werden, im Jahr 370 000 Euro.

Bei 1250 Einwohnern in 500 Wiesenfelder Haushalten, so rechnet er weiter, werden pro Person monatlich 250 Euro für alle Arten von Lebensmittel ausgegeben – „inklusive Schnaps und Zigaretten“. Weiter geht er davon aus, dass 60 Prozent der Bevölkerung in dem Dorfladen einkaufen werden. So kommt Hahn auf 110 Euro Einkauf pro Haushalt im Monat oder 45 Euro pro Person beziehungsweise zehn Euro pro Person jede Woche.

Erfahrungen in der näheren Umgebung hat der Referent aus Gräfendorf, wo er anfangs als Berater fungiert hat, und aus Obersfeld, wo er genau dies gerade ebenfalls tut. In Gräfendorf läuft der Laden inzwischen so gut, dass die dortige Genossenschaft das Haus mit Verkaufsladen und Mietwohnungen aufkaufen konnte.

In Wiesenfeld soll am Montag, 14. Oktober, um 19 Uhr im Pfarrheim eine Informationsveranstaltung stattfinden. Wie in den anderen Orten auch, soll die Bevölkerung nach ihrem Interesse und der Bereitschaft sich zu beteiligen gefragt werden. In Obersfeld beispielsweise besteht die Bereitschaft, 30 000 Euro an Einlagen in die Genossenschaft zu stecken. Zuvor soll auch mit den bestehenden Wiesenfelder Versorgern wie Bäcker, Hofladen und Metzger gesprochen werden.